Zians-Haas Rechtsanwälte

Neues vom Verfassungsgerichtshof in Sachen Scheidung

21.10.2008

Am 21.10.2008 hat der belgische Verfassungsgerichtshofes einen interessanten Entscheid zur Frage der Prozesskosten bei Scheidungsverfahren ausgesprochen.

Es geht speziell  um die Kosten des Verfahrens, wenn die Scheidung durch einen Ehepartner eingereicht wird auf Grundlage von Artikel 229 § 3 des Zivilgesetzbuches, d.h. auf Grundlage einer mehr als einjährigen Trennung der Eheleute.

Artikel 1258 des Gerichtsgesetzbuches sieht vor, dass derjenige, der die Scheidung auf Grundlage des besagten Artikel 229 § 3 d.h. nach einem Jahr Trennung einreicht, zu den Kosten des Verfahrens verurteilt werden muss. Dies hat der Gesetzgeber so gewollt und im neuen Scheidungsrecht dann auch vorgesehen.

Der Verfassungsgerichtshof kann durch die Gerichte mit einer Vorfrage befasst werden falls eine der Parteien im Gerichtsverfahren die Verfassungswidrigkeit einer Gesetzesbestimmung aufwerfen.

Dies war vor kurzem der Fall beim Gericht Erster Instanz von Gent und beim Gericht Erster Instanz von Turnhout.

Es wurde die präzise Frage an den Verfassungsgerichtshof gestellt, ob die Verurteilung der antragstellenden Partei nicht verfassungswidrig sei (Verletzung des Artikels 11 der Verfassung), wenn man weiß, dass  im Falle eines Scheidungsantrages, der auf Zerrüttung der Ehe basiert (Artikel 229 § 1) die antragstellende Partei nicht automatisch zu den Kosten des Verfahrens verurteilt wird.

Es wurde aufgeworfen, dass die Person, die ihren Antrag auf § 3 (einjährige Trennung) basiert, diskriminierend behandelt wird im Vergleich zu der Person, die ihren Scheidungsantrag auf Artikel 229 § 1 (Zerrüttung) basiert.

Am 21.10.2008 hat der Verfassungsgerichtshof seinen Entscheid verkündet und hat erklärt, dass effektiv eine Diskriminierung vorliegt und dass folglich Artikel 11 der belgischen Verfassung verletzt worden ist durch den Gesetzgeber.

Der Verfassungsgerichtshof begründet seine Entscheidung folgendermaßen:

In den vorbereiteten Arbeiten zu der neuen Scheidungsgesetzgebung hat der Gesetzgeber erwähnt, dass eine unterschiedliche Behandlung erforderlich sei, da es logisch sei, dass die Partei, die die Scheidung  ohne Grund und manchmal sogar gegen den Willen des Ehepartners beantragt,  die Unkosten tragen müsse.

 Unterschwellig will man also sagen, dass in dem Fall, wo ein Ehepartner den anderen Ehepartner zur Scheidung „zwingt“, die antragstellende Partei die Kosten zahlen muss.

Es wird aber nicht begründet, inwiefern dieses Risiko nicht auch für § 1 des Artikels 229 bestehen würde.

Im Rahmen der Anwendung des § 1  besteht dieses Risiko auch, da die antragstellende Partei dem Ehepartner auch die Scheidung aufzwingen kann, wegen Zerrüttung der Ehe, ob der Ehepartner nun will oder nicht.

Eine unterschiedliche Behandlung in punkto Verurteilung zu den Kosten sei also diskriminierend.

Der Verfassungsgerichtshof erklärt darüber hinaus, dass der Gesetzgeber ja eigentlich die Schuldscheidung abschaffen wollte und nun indirekt die antragstellende Partei finanziell bestraft durch deren Verurteilung zu den Kosten des Verfahrens.

Der Verfassungsgerichtshof hält auch ausdrücklich fest, dass es keineswegs erwiesen ist, dass die antragstellende Partei, sei es im Rahmen des § 1 oder aber im Rahmen des § 3 als schuldige Partei zu betrachten wäre.

Eine unterschiedliche Behandlung sei also vernünftiger Weise nicht zu begründen.

Schlussfolgernd erklärt der Verfassungsgerichtshof Artikel 1258 § 2 des Gerichtsgesetzbuches also unvereinbar mit Artikel 10 und 11 der Verfassung.

Unserer Ansicht nach wird es nicht lange dauern, bis der Gesetzgeber  nach dieser Rüge durch den Verfassungsgerichtshof den Gesetzestext nachbessern wird. Darüber hinaus werden die Gerichte auf Grund dieser Rechtsprechung den Scheidungskläger wohl kaum mehr automatisch zu den Kosten verurteilen. Solution à la belge……

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