Zians-Haas Rechtsanwälte

Sprachengesetzgebung im Strafverfahren : Wann ist der Verweis an ein anderes Gericht möglich?

11.12.2019

Art. 23 des Gesetzes über den Sprachgebrauch in Gerichtsangelegenheiten beinhaltet die Möglichkeit für einen Angeklagten, der vor ein Polizeigericht oder ein Korrektionalgericht geladen wurde, den Verweis an ein anderes Gericht zu beantragen, dessen Verfahrenssprache eine Landessprache ist, die er beherrscht.

Lediglich im Gerichtsbezirk Eupen gibt es diesbezüglich eine Besonderheit. Es ist möglich, den Wechsel der Verfahrenssprache von Deutsch auf Französisch zu beantragen, sodass der Verweis an ein französischsprachiges Gericht nicht notwendig ist.

In den anderen Fällen ist es jedoch so, dass ein Verweis an ein anderes Gericht beantragt werden muss.

Wird dem Verweis stattgegeben, so wird die Akte an ein gleichrangiges Gericht, vor dem das Verfahren in der gewünschten Sprache abgehalten wird, verwiesen.

Ein Beispiel: Wenn ein deutschsprachiger Angeklagter also vor dem Korrektionalgericht BRÜGGE geladen wird wegen einer ihm vorgeworfenen Straftat anlässlich eines Aufenthaltes an der Küste, kann er beantragen, dass die Verhandlung vor dem Korrektionalgericht EUPEN stattfindet.

Es kommt jedoch leider auch immer wieder vor, dass das Gericht dem Antrag auf Verweis nicht stattgibt. Das Gesetz über den Sprachgebrauch in Gerichtsangelegenheiten sieht nämlich vor, dass das Gericht entscheiden kann, dem Antrag des Angeklagten „aufgrund der Umstände der Sache“ nicht stattzugeben.

Die Rechtsprechung deutete diese Bedingung dahingehend, dass nur wenn die Akte objektivierende Umstände aufweist, die einem Verweis entgegenstehen, der Antrag des Angeklagten auf Verweisung an ein anderes Gericht abgewiesen werden kann.

Nun stellt sich die Frage, was denn wohl objektivierende Umstände sein könnten. Wann riskiert der Angeklagte, dass seinem Antrag auf Verweis nicht stattgegeben wird?

Hierzu hat der Kassationshof sich in einem Entscheid vom 19. November 2019 (P.19.0758.N) geäußert.

Folgende häufig genutzte Begründungen werden in Zukunft NICHT mehr akzeptiert:

- Die Akte ist sehr simpel und weist keine komplexen Elemente auf.

- Der Angeklagte kann bei der Verhandlung anwesend sein und sich in der gewünschten Sprache ausdrücken.

- Der Verweis an ein anderes Gericht würde Zeit verschwenden und die Prozesskosten unnötig ansteigen lassen.

- Der Verweis hat zur Folge, dass die Akte dem territorial zuständigen Richter entzogen wird. 

All diese Begründungen empfand der Kassationshof als nicht ausreichend. Ein Verweis muss möglich sein, d.h. dem Antrag muss stattgegeben werden.

Bezüglich der Begründung, dass ein Risiko der Verjährung für die Strafverfolgung besteht, präzisierte der Kassationshof, dass der Verweis nur verweigert werden kann, wenn in concreto ein tatsächliches Risiko zum Zeitpunkt der Entscheidung besteht.