Covid-19: Muss weiterhin die vollständige Miete gezahlt werden?
28.04.2020
Muss weiterhin Miete gezahlt werden, obwohl der Laden geschlossen bleiben muss?
Kann die Anmietung eines Appartements an der Küste rückgängig gemacht werden?
Muss die Miete für die Hochzeitslocation trotzdem bezahlt werden?
Die Corona-Krise wirft viele Fragen auf, auf die der Gesetzgeber keine direkte Antwort hat.
Bei der Frage, ob während dem Lockdown weiterhin die vollständige Miete, nur ein Teil oder gar keine Miete geschuldet ist, scheiden sich die Geister. Die Rechtslage ist extrem unsicher und lässt viel Raum für Interpretation.
Die Diskussionen drehen sich allesamt um den Begriff „höhere Gewalt“.
Grundsätzlich muss jede Vertragspartei ihren vertraglichen Verpflichtungen nachkommen.
In einem Mietverhältnis besteht die grundlegende Verpflichtung des Vermieters darin, dem Mieter die freie Nutzung des Mietobjektes, wie vertraglich festgelegt, zu gewährleisten. Im Gegenzug hat der Mieter die Verpflichtung, die Miete zu zahlen.
Wenn es jedoch, infolge höherer Gewalt, einer der Parteien unmöglich ist, ihren vertraglichen Verpflichtungen nachzukommen, so kann ihr dies nicht zur Last gelegt werden. Es liegt in diesem Fall kein Vertragsbruch vor.
Es wird unterschieden zwischen definitiver und temporärer Unmöglichkeit.
Bei definitiver Unmöglichkeit, ist der Vertrag automatisch als aufgelöst anzusehen.
Bei temporärer Unmöglichkeit, werden die Verpflichtungen beider Parteien (auch die Verpflichtungen der Partei, die in der Lage wäre den Vertrag einzuhalten) vorerst auf Eis gelegt.
Beispiel definitiver Unmöglichkeit:
Ein Mietshaus wurde durch einen Tornado vollkommen zerstört. Dem Vermieter ist es unmöglich, die weitere Nutzung des Mietobjektes zu gewährleisten. Die Nichteinhaltung seiner Verpflichtungen kann dem Vermieter jedoch nicht zur Last gelegt werden. Er kann schließlich nichts für dieses Unwetter. Im Gegenzug ist der Mieter jedoch ebenfalls von seiner Verpflichtung der Mietzahlung freigestellt.
→ Der Tornado stellt eindeutig ein Fall höherer Gewalt dar. In diesem Beispielsszenario befindet sich der Vermieter in einem Fall definitiver Unmöglichkeit. Er wird seine vertraglichen Verpflichtungen in Zukunft nicht mehr einhalten können, da das Mietobjekt nicht mehr existiert. Der Mietvertrag ist automatisch aufgelöst.
Beispiel temporärer Unmöglichkeit:
Das Dach eines Miethauses wurde durch einen Sturm stark beschädigt. Bis der Schaden repariert wurde, muss der Mieter leider vorübergehend ausziehen.
→ In diesem Beispielsszenario befindet sich der Vermieter in einem Fall temporärer Unmöglichkeit. Sobald das Dach repariert ist, kann er seine Verpflichtungen wieder ohne Probleme einhalten. Bis dahin ist die Verpflichtung des Mieters ebenfalls vorerst auf Eis gelegt. Er muss vorläufig keine Miete mehr zahlen.
Doch was hat das mit der derzeitigen Corona-Krise zu tun?
Aufgrund der aktuellen Corona-Maßnahmen sind zahlreiche Vermieter nicht mehr in der Lage die ursprünglich vereinbarte Nutzung des Mietobjektes zu gewährleisten.
Die durch die Regierung getroffene Maßnahmen betreffen nämlich nicht nur den Mieter, der sein Geschäft schließen muss, sondern vor allem den Vermieter. Sinn und Zweck der Maßnahmen ist es Menschenansammlungen zu vermeiden. Die Vorschriften betreffen somit in erster Linie die Geschäftsräume selbst und nicht die Aktivität des Mieters.
Es stellt sich nun die Frage, ob diese Maßnahmen einen Fall höherer Gewalt darstellen, der eine Auflösung des Mietvertrages oder eine Aussetzung der Mietzahlung rechtfertigt.
Hier spalten sich die Meinungen der Rechtslehre.
Vorab sei bemerkt, dass die Rechtslage diesbezüglich sehr komplex und unsicher ist. Es besteht viel Raum für Interpretation. Dazu kommt die Problematik etwaiger Klauseln und die Frage ob diese nicht eventuell missbräuchlich und somit nichtig sind.
Wer mühseligen Diskussionen und langwierige Verfahren vermeiden möchte, sollte versuchen, sich mit seinem Mieter/Vermieter zu einigen, indem gegenseitig Zugeständnisse gemacht werden.
Stellen die Corona-Vorschriften einen Fall höherer Gewalt dar?
Höhere Gewalt ist ein Ereignis, das vom menschlichen Willen unabhängig, unvorhersehbar und unvermeidbar ist. Darunter fallen grundsätzlich ebenfalls neue Gesetzgebungen. Aus diesem Grund, ist ein Teil der Rechtslehre der Auflassung, dass die im Rahmen der Covid-19-Krise getroffenen Maßnahmen einen Fall höherer Gewalt darstellen.
Unserer Auffassung nach, hängt die angemessenen Rechtslösung immer vom konkreten Einzelfall ab. In manchen Fällen scheint die Lösung klarer zu sein als in anderen.
Nehmen wir einige Beispiele zur Hand:
- Die Modegeschäfte mussten am 18.03.2020 ab 12 Uhr schließen. Zwar dienen die Geschäftsräume weiterhin zur Lagerung der Ware, trotzdem kann das Mietobjekt nicht wie vereinbart genutzt werden.
Handelt es sich um einen Fall von höherer Gewalt?
Im vorliegenden Fall könnte man effektiv davon ausgehen, dass in Bezug auf die Verpflichtungen des Vermieters eine temporäre Unmöglichkeit vorliegt.
Doch ist die Nutzung durch den Mieter vollkommen oder nur teilweise eingeschränkt?
Wenn die Nutzung als nur teilweise eingeschränkt angesehen werden muss, wäre eine Mietreduzierung wohl angebracht. Sollte jedoch davon ausgegangen werden, dass die Einschränkung vollkommen ist, so wäre ein temporärer Mietererlass vielleicht angebrachter.
- Viele Restaurants haben sich dazu entschlossen, einen Lieferservice anzubieten. Die Nutzung des Mietobjekts ist hier definitiv nicht gänzlich eingeschränkt. Es werden zwar keine Gäste mehr empfangen, aber noch fleißig gekocht.
In diesem Fall ist die Nutzung wirklich nur teilweise durch die Corona-Maßnahmen eingeschränkt. Unserer Auffassung nach, wäre eine Mietreduktion angepasst.
- Nehmen wir an, mein Geschäft fällt unter eine der Ausnahmeregelungen (z.B. Lebensmittelgeschäft) oder fällt nicht mehr unter die Sperre (z.B. Baumarkt).
Ich beschließe dennoch mein Geschäft aus Sicherheitsgründen geschlossen zu lassen.
Handelt es sich in diesem Fall um höhere Gewalt, die eine Mietreduzierung oder einen Mieterlass rechtfertigt?
NEIN. Da die Nutzung des Mietobjektes nicht bzw. nicht mehr zwingend eingeschränkt ist, kann der Vermieter die ursprünglich vertraglich vereinbarte Nutzung des Mietobjektes gewährleisten. Demzufolge ist der Mieter ebenfalls verpflichtet die volle Miete zu zahlen.
Es handelt sich nicht um einen Fall höherer Gewalt.
- Nehmen wir an, ich hatte letztes Jahr eine Ferienwohnung in Knokke für das Osterwochenende (11.04.2020 – 13.04.2020) gemietet. Da die Corona-Maßnahmen es mir verboten haben zur Küste zu fahren, musste ich leider zu Hause bleiben.
Handelt es sich um einen Fall höherer Gewalt? Befindet sich der Vermieter nicht in einer definitiven Unmöglichkeit die Nutzung des Mietobjektes zu gewährleisten? Ist der Mietvertrag nicht als automatisch aufgelöst zu betrachten?
Im vorliegenden Fall gab es wirklich keinerlei Leistung durch den Vermieter. Je nachdem, könnte der bereits gezahlte Betrag effektiv zurückgefordert werden.
Diesbezüglich stellt sich jedoch die Frage, ob es eine Rolle spielt, wann die jeweilige Reservierung getätigt wurde.
Wie Sie feststellen können, ist die Problematik äußerst komplex.
Zudem ist, wie bereits erwähnt, auf besondere Klauseln zu achten.
- Was ist mit der Reservierung einer Hochzeitslocation?
Nehmen wir an, der Saal ist für Samstag, den 02.05.2020, gemietet. Auch wenn das Hochzeitspaar theoretisch noch zu zweit feiern könnte, so kann die Location nicht mehr so genutzt werden, wie ursprünglich vereinbart.
Handelt es sich um einen Fall höherer Gewalt? Ist der Mietvertrag als automatisch aufgelöst zu betrachten? Kann ich eine eventuelle Anzahlung zurückfordern?
Vielleicht.
Um potentielle Vertragsverletzungen zu vermeiden, ist es sicherlich sinnvoll, wenn beide Parteien aufeinander zugehen und sich außergerichtlich einigen.