Zians-Haas Rechtsanwälte

Der Verfassungsgerichtshof „korrigiert“ bereits das neue Gesetzbuch der Gesellschaften und Vereinigungen

13.01.2021

Durch Entscheid des Verfassungsgerichtshofes vom 15.10.2020 wurde Artikel 2:59, erster Absatz, 3° des Gesetzbuches der Gesellschaften und Vereinigungen annulliert.
Artikel 2:59 sieht gewisse Einschränkungen vor, was die möglichen Regelungen in der Geschäftsordnung angeht. Eine wichtige Einschränkung fällt nunmehr aber weg. Unter gewissen Voraussetzungen kann die Geschäftsordnung nunmehr die Rechte der Gesellschafter, Aktionäre oder Mitglieder betreffen.

Artikel2:59, erster Absatz des Gesetzbuches der Gesellschaften und Vereinigungen bestimmt:

«Verwaltungsorgane können eine Geschäftsordnung festlegen, sofern sie in der Satzung dazu ermächtigt werden. Eine solche Geschäftsordnung darf keine Bestimmungen enthalten:

1.die im Widerspruch zu bindenden Gesetzesbestimmungen oder der Satzung stehen,

2.über Angelegenheiten, für die vorliegendes Gesetzbuch eine Satzungsbestimmung verlangt,

3. die Rechte der Gesellschafter, Aktionäre oder Mitglieder, Befugnisse der Organe oder Organisation und Funktionsweise der Generalversammlung betreffen.“

Zudem ist noch ein gesetzliches Bekanntmachungserfordernis dieser Geschäftsordnung vorgesehen.

Durch diese Voraussetzungen bezüglich der Festlegung einer Geschäftsordnung soll ein zweifacher Schutz sichergestellt werden: Sie schützen nicht nur die an der Gesellschaft oder Vereinigung beteiligten Personen (Gesellschafter, Aktionäre,  Mitglieder), sondern auch andere Personen (Dritte). Das alte Gesellschaftsgesetzbuch enthielt keine Bestimmungen im Zusammenhang mit der Geschäftsordnung. Eine Geschäftsordnung, die grundsätzlich nicht öffentlich ist, unterscheidet sich von einer Satzungsänderung, die bekannt gemacht wird.

 

Die Voraussetzungen,  

  • Dass nur Angelegenheiten geregelt werden, die keine Satzungsbestimmung erfordern;
  • Und dass die Rechte der Gesellschafter, Aktionäre oder Mitglieder, die Befugnisse der Organe oder Organisation und die  Funktionsweise  der Generalversammlung nicht in der Geschäftsordnung geregelt werden dürfen,

gelten nicht für die Genossenschaft.

 

Laut Verfassungsgerichtshof ist es „nicht objektiv und sachlich gerechtfertigt, dass die Geschäftsordnung nur bei einer Genossenschaft die Rechte der Gesellschafter, Anteilseigner oder Mitglieder, die Befugnisse der Organe oder Organisation und die Funktionsweise der Generalversammlung zum Gegenstand haben darf.“.

Infolge des Entscheids des Verfassungsgerichtshofes darf eine Geschäftsordnung somit Bestimmungen enthalten, «die Rechte der Gesellschafter, Aktionäre oder Mitglieder, Befugnisse der Organe oder Organisation und Funktionsweise der Generalversammlung betreffen». Dies kann allerdings nur unter der Bedingung erlaubt werden, dass die Geschäftsordnung, wie für die Genossenschaft vorgesehen, durch einen Beschluss genehmigt wird, der unter Einhaltung der Anwesenheits-und Mehrheitserfordernisse für eine Satzungsänderung gefasst worden ist.

 

Artikel 2:59 des Gesetzbuches der Gesellschaften und Vereinigungen ist für alle Gesellschaften und auch V.o.G. anzuwenden und bietet somit eine gewisse Flexibilität, da eine wichtige Einschränkung nun wegfällt.

 

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