Zians-Haas Rechtsanwälte

Sexualstrafrecht - Große Veränderung in Sicht

08.06.2022

Seit dem 1. Juni 2022 ist die Reform in Kraft.

Die neue Gesetzgebung stellt ein Schlüsselelement im Kampf gegen sexuelle Gewalt dar.

Bislang führten nur rund 10% der Strafanzeigen zu einer effektiven Verurteilung, eine äußerst geringe Statistik. Laut Justizminister Van Quickenborne soll sich dies nun ändern.

Die alte Gesetzgebung war unklar und veraltet, was den Opfern die Beweislast oft unnötig erschwert hat.

Das ist allerdings kein Wunder, wenn man bedenkt, dass unser Strafgesetzbuch aus dem Jahr 1867 stammt und somit in einem ganz anderen Zeitgeist verfasst wurde. Der Fokus lag damals auf den Erhalt der Familienordnung und der öffentlichen Sitten. Um mit der gesellschaftlichen Entwicklung Schritt zu halten, wurden immer wieder vereinzelte Änderungen vorgenommen. Von Zeit zu Zeit wurden die Strafbestimmungen geändert oder hinzugefügt, sodass die Gesetzgebung irgendwann einem Flickenteppich glich.

Insbesondere im Sexualstrafrecht war eine grundlegende Reform überfällig. Diese Reform ist nun in Kraft.

Es wird nunmehr eine einfachere und modernere Sprache verwendet. Eine Reihe von Sexualstraftaten wurde umbenannt und veraltete Begriffe wurden ersetzt. Bestehende Definitionen wurden ausgeweitet (z. B. der Vergewaltigung und des Voyeurismus) und es wurde darauf geachtet, dass alle Definitionen geschlechtsneutral formuliert sind.

Der Fokus liegt nun auf dem Menschen und seinem Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Unversehrtheit. Der Begriff der Zustimmung steht im Mittelpunkt und wird nun ausdrücklich definiert. Es handelt sich um eine einheitliche Definition, die für alle Sexualstraftaten gilt. Das Einverständnis kann niemals aus dem fehlenden Widerstand des Opfers abgeleitet werden (siehe hierzu folgenden Artikel: https://www.zians-haas.be/de/news/2022/Sexualstrafrecht%202.php).

Zeitgleich soll aber auch mehr Rechtssicherheit geschaffen werden. Ein klarer Gesetzestext ist hierfür eine Grundvoraussetzung.  

Die Strafen wurden angepasst, sodass Vergewaltigung nun mit 15 bis 20 Jahren Haft statt mit 5 bis 10 Jahren bestraft wird. Erschwerende Umstände (z.B. Tod des Opfers, Minderjährigkeit, Diskriminierung, Inzest, Missbrauch von Autorität, usw.) können sogar zu einer Haftstrafe von bis zu 30 Jahren führen. Umgekehrt wurden im Sinne der Verhältnismäßigkeit die Strafen für Voyeurismus gemildert.

Unter bestimmten Umständen wird der Richter nun auch die Möglichkeit haben, alternative Strafen zur Haftstrafe zu verhängen, beispielsweise ein Wohnsitz-, Orts- oder Kontaktverbot als eigenständige Strafe.

Auch im Bereich Prostitution gab es einige Neuerungen.

Der Justizminister hat bereits angekündigt, dass er dem Ministerrat bis zum Sommer eine umfassende Reform des Strafgesetzbuches vorlegen werde, die bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2024 verabschiedet werden soll.

Nähere Informationen folgen.